Yoga vs. Pilates: Oder ist es am Ende doch das selbe?
- Carina

- 30. Sept.
- 4 Min. Lesezeit
Vor kurzem bin ich auf einen Instagram Post gestoßen, in dem Yoga und Pilates miteinander verglichen wurden. Die Autorin meinte, Pilates sei rein körperlich (ganz auf das „Brennen“ ausgerichtet), während Yoga ganzheitlich sei und die Verbindung von Körper, Geist und Seele Im Vordergrund stünde.
Als Pilates-Lehrerin, die auch viele Jahre Yoga unterrichtet hat, kann ich den Wunsch verstehen, Unterschiede klarzumachen. Aber ich glaube, es ist komplizierter, als dass das eine nur körperlich und das andere “spirituell” ist. Ob Bewegung „nur” körperliches Training ist oder etwas Tieferes, hängt für mich weniger von der Methode ab, sondern viel mehr davon, wie wir uns ihr nähern.
Das war zumindest mein erster Gedanke, als ich den Beitrag kommentierte. Doch je länger ich darüber nachdachte, desto mehr wurde mir klar: Es liegt nicht einmal nur an der Intention. Und es ist auch nicht so einfach wie „Körper-Geist-Seele“ versus „nur physisch“. Wenn ich heute zurückblicke, sehe ich: Jede Form von Bewegung ist ganzheitlich. Ob wir das bewusst wollen oder bemerken oder nicht.
Am Anfang ging es um's Aussehen
In meinen frühen Zwanzigern war ich sehr darauf fixiert, wie ich aussah. Ich trainierte, um meinen Körper in eine bestimmte Form zu bringen. Ich machte Yoga, um beweglicher zu werden (keine besonders schlaue Idee für jemanden, der ohnehin schon überbeweglich ist) und, wenn ich ehrlich bin, um meinen damaligen Freund zu beeindrucken (auch nicht ganz so klug). Ich machte Krafttraining, um stärker zu werden. Ich übte Pilates, um die sogenannten „langen, schlanken Muskeln“ aufzubauen, statt „massig“ zu wirken (ja, ich bin auch auf diesen Mythos hereingefallen). Und ich joggte, um abzunehmen, obwohl es überhaupt kein Gewicht gab, das ich hätte verlieren müssen.
Meine Gründe zu trainieren waren fast ausschließlich körperlich – und stark geprägt davon, was andere über mich denken könnten. Aber ohne dass ich es bemerkte, begann noch etwas anderes zu passieren.
Yoga, Pilates und Bewegung began sich zu verändern
Je mehr ich mich auf diese Aktivitäten einließ – Yoga, Pilates, Laufen oder Krafttraining – desto mehr bemerkte ich eine Veränderung in meinen Gedanken und Stimmungen.
Ich bin jemand, der ständig alles überdenkt. Ich mache mir leicht Sorgen über die Zukunft, grüble über Dinge, die vielleicht nie passieren, oder gehe in Gedanken durch, was ich in der Vergangenheit anders hätte machen können. Kurz gesagt: Im Hier und Jetzt zu sein, fällt mir nicht leicht.
Und doch war ich da. Beim Laufen durch die grünen Parks in Western Australia, wo ich damals lebte, fiel mir auf, wie anders die Bäume waren als zuhause. Ich beobachtete die Tiere und spürte die frische Luft auf meiner Haut.
Im Yoga wurde ich eingeladen, meine Grenzen zu erforschen und darüber nachzudenken, wie ich diesen begegne und mit ihnen umgehe – auf und abseits der Matte. Im Pilates achtete ich auf die feinen Unterschiede, etwa zwischen dem „schwebenden“ Anheben des Beins in den Tischposition und einem bloßen Hochziehen, oder darauf, die Wirbelsäule Wirbel für Wirbel abzulegen, anstatt einfach nur hoch- und runterzugehen.
Diese Momente schenkten mir etwas, wonach ich nicht bewusst gesucht hatte, das ich aber so dringend brauchte: Sie gaben mir eine Pause vom ständigen Grübeln und eine Möglichkeit, meine Aufmerksamkeit durch meinen Körper ins Hier und Jetzt zu holen.
Mit anderen Worten: Ich begann, eine bewusste Verbindung von Körper und Geist zu erleben. Und es spielte keine Rolle, ob ich lief, Krafttraining machte, Pilates oder Yoga übte. Die Wirkung war dieselbe: etwas, das weit über die rein körperlichen Ziele hinausging, die ich mir gesetzt hatte.

Mit der Zeit änderte sich meine Sichtweise
Ich war nie jemand für „esoterisch klingende“ Spiritualität, und ich muss auch nicht genau definieren, was „spirituell“ bedeutet. Aber heute glaube ich: Bewegung verbindet Körper, Geist und Seele.
Anfangs zeigte es sich ganz schlicht. Als ich begann, geistig präsenter in meinen körperlichen Erfahrungen zu sein, wurde mein Kopf nicht plötzlich still (mit der Idee vom „Geist beruhigen“ konnte ich nie viel anfangen). Stattdessen begann er sich neu auszurichten. Und in diesem Umschalten passierte etwas Tieferes in mir.
Langsam, mit der Zeit, änderten sich meine Prioritäten, meine Werte und sogar meine Sicht auf die Welt. Zu sagen, das sei nur durch Bewegung gekommen, wäre übertrieben – es gab auch andere Einflüsse in meinem Leben – aber Bewegung spielte eine große Rolle in dieser Veränderung.
Was früher ein Weg war, mein Aussehen zu verändern oder jemanden zu beeindrucken, wurde zu einem Check-in Moment mit mir selbst. Eine Möglichkeit, kurz innezuhalten und zu verarbeiten, was gerade los war. In meinem Körper zu sein, lehrte mich etwas, was ich bis dahin nicht gekannt hatte: dass ich in meinem Körper genau so, wie er ist, okay sein kann. Dass ich ihn nicht verändern oder beweisen muss.
Und selbst in Zeiten, in denen ich mich nicht wohlgefühlt habe, gab mir Bewegung eine tiefe Erinnerung: Es ist okay, nicht okay zu sein.
Und heute prägt das meinen Unterricht
Rückblickend weiß ich: Auch wenn es damals nicht meine Intention war, meine Bewegungspraxis war immer schon ganzheitlich – und das nicht das Yoga. Heute verstehe ich warum: Der Körper ist das Tor zum Geist und zur Seele, wie auch immer man diese Worte definiert. Er ist der Zugang zu einer tieferen Verbindung mit uns selbst. Und diese Verbindung kann entstehen, ob wir sie bewusst suchen oder nicht.
Heute gehe ich mit mehr Achtsamkeit an Bewegung heran als damals, und das macht die Erfahrung noch reicher. Aber die Wahrheit ist: Die Verbindung war schon immer da. Bewegung war nie „nur körperlich“. Das konnte sie nie sein.
Dieses Verständnis prägt nun auch meinen Unterricht. Selbst in einer Stunde, die auf den ersten Blick rein körperlich wirkt, weiß ich: darunter passiert mehr. Menschen verbinden sich durch Bewegung mit sich selbst.
Deshalb verstehe ich meine Stunden als Einladung – eine Einladung, diese Verbindung tiefer zu erforschen, so wie es für jede*n richtig ist. Egal ob jemand wegen Kraft, Beweglichkeit, Energie oder einfach nur für ein Workout kommt: Ich vertraue darauf, dass die Erfahrung über das Physische hinauswirken kann. Und ich liebe es, diese Momente mitzuerleben, wenn das passiert.



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